Aussprache


 

Ich liebe, die mich lieben,

 

und die mich suchen,

 

finden mich.

 

Sprüche 8,17

 


Gestern war ich im Gewühl eines Weihnachtsmarktes unterwegs und plötzlich sprach mich einer der Männer an.

„Hallo Angelus.“

Ich war sehr erstaunt, denn es gab schon lange keinen Erwachsenen mehr, der mich gesehen und auch noch mit Namen angesprochen hat.

„Hallo Thomas.“

„Was bringt mir dieses tolle Treiben und die schönen Momente eines Weihnachtsmarktes, wenn ich allein über die Gassen gehen muss.“

„Was ist geschehen?“

„Frag nicht so dumm. Du weißt doch was los ist! Der Krach, die anstehende Scheidung, meine Kinder! Ich darf sie nicht mehr sehen. Meine Frau, der bösartige Drachen verwehrt mir das Recht und nun steh ich alleine da.“

„Du bist böse. Ich verstehe. Aber meinst du nicht auch ...“

„Hör bloß auf mit Belehrungen. Ich bin nicht Schuld an dem ganzen Scheiß! Sie hat damit angefangen. Sie hat mich jeden Tag beleidigt. Sie war es, die gesagt hat, dass ich zu nichts nütze bin und sie war es, die mich zum letzten Schritt getrieben hat! Also komm mir nur nicht mit Vorwürfen.“

Ich schmunzelte, sagte nichts dazu.

„Warum sagst du nichts?“

„Du hast gesagt ich soll ruhig sein.“

„Seit wann halten sich Engel daran, was wir Menschen sagen? Pah!“

Ich schwieg und Thomas kochte vor Wut.

„Du bist nicht besser als die Menschen. Du sollst doch helfen und nicht schweigen.“

„Weißt du Thomas, manchmal ist es aber besser zu schweigen.“

„Aha und was soll das nun wieder heißen?“

Ich schwieg, weil ich wusste, dass es nun wieder ausflippen würde.

„Verdammt nochmal, ich habe keine Schuld!“

„Komm mit!“

Ich ging vor ihm her.

„Wo gehen wir hin? Hallo!“

Nahe einem Kinderkarussell blieben wir stehen.

„Dort sind deine Kinder. Und dort ist auch deine Frau.“

Thomas schaute sich lange die Situation an und bemerkte, dass seine Frau einen Mann beobachtete. Sie ging auf diesen zu. Er stand mit dem Rücken zu ihr und sie tippte ihn an die Schulter und fragte.

„Thomas?“

Doch der Mann drehte sich um und sie erkannte, dass es nicht Thomas war. Die Tränen in ihren Augen rannen ihr über die Wangen.

Ich stand sehr nahe bei Thomas.

„Sie liebt dich noch immer, doch auch sie hat ihren Stolz und kann nicht immer auf dich zugehen. Ihr Menschen streitet oft und wollt immer, dass ein Sieger daraus hervorgeht. Doch wo ein Sieger aufsteigt, gibt es einen Verlierer und wo man sich nicht einigen kann, nicht verzeihen kann, gibt es zwei Verlierer. Und du Thomas hast sie in der Ehe betrogen. Sie ist Mensch, wie du und konnte nicht so einfach über ihren Schatten springen. Sie war verletzt, gekränkt und enttäuscht.“

„Sie hat mich so weit getrieben. Sie will die Scheidung!“

„Ihr hättet reden müssen. Der Austausch bestimmt die Lebensqualität. Es ist noch nicht zu spät.“

„Sie will mich gar nicht mehr, sonst.....“

Ich legte ihm mein Finger auf den Mund und hüllte ihn mit Feuernebel ein. Mit lauter Stimme sagte ich nur für ihn hörbar.

„Du Mensch hast nun die Chance dein Leben in den Griff zu bekommen. Wenn du sie jetzt nicht nützest, dann wirst du nie wieder eine Chance bekommen. Du musst dich ändern. Du musst auf deine Frau zugehen und du....“

Ich nahm den Nebel wieder von ihm.

„...du wirst zu ihr gehen können. Dich mit ihr versöhnen und aussprechen. Du hast die Kraft dazu, die Liebe und die Macht.“

In Thomas Augen bildeten sich zwei Seen und er schaute betroffen zu Boden.

„Thomas?“

Zwei kalte Hände fassten seine Hände an.

„Thomas?“

Mit gläsernen Blick schaute er die Person an die schon zweimal seinen Namen sagte. Er blickte in die Augen seiner Frau.

„M..Marion?“

„Ich sah dich hier stehen und ich wollte dir sagen, dass....“

Thomas drückte sie ganz fest an sich und umarmte sie fast unmenschlich.

„Es tut mir so leid. So unsagbar leid. Ich habe einen Fehler begangen. Marion, ich liebe dich und die Kinder. Ich möchte mich entschuldigen, mich ändern...bitte, verzeih mir.“

Und Marion lächelte.

„Mein lieber Thomas. Ich habe auch viele Fehler gemacht und ich habe immer wieder versucht mit dir darüber zu sprechen, doch du hast nie zugehört. Ich habe den Antrag auf Scheidung zurückgezogen, weil ich dich liebe und ich möchte nochmals einen Neuanfang mit dir machen.“

Thomas brach zum ersten Mal in seinem Leben in lautes Schluchzen aus.

„Oh Gott, Marion. Ja, ja, wir versuchen es noch einmal miteinander. Ja, wir werde es schaffen!“

 

Es war einer der Tage an dem die Menschen ein kleines Wunder erleben. Wunder gibt es immer wieder, wenn man daran glaubt, sie zulässt und so wie Thomas, beginnt an dem bevorstehenden Wunder zu arbeiten.

Nur wer an Wunder glaubt, kann sie erleben.

 

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